Lesen Sie den Bericht über das Theaterstück von den Lehrkräften Martin van Kampen und Christiane Goslar:

Ein Bericht über die Aufführung des Theaterstücks „RemembeRING – besser ist, wenn du nix weißt“ von Liora Hilb, über die Erinnerungen an die Shoah. In der Aula Feldbergschule am 16.11.2021.

Martin van Kampen – Christiane Goslar

Erinnerungen sind unvollständig und geraten schnell in Vergessenheit. Sogar Erinnerungen an die Shoah können schnell verloren gehen, wenn diese nicht bewahrt werden. Und doch kam es vor, dass in Familien von Holocaust-Opfern nur ungern über die traumatische Vergangenheit gesprochen wurde. Das mag verschiedene psychologische Gründe haben: z.B. um das Gräuel, das ihnen von Nazideutschland angetan wurde, zu bewältigen. Die Erzählungen von Menschen aus der Vergangenheit, seien sie noch so bruchstückhaft, sind dennoch als Mahnung für unsere heutige Gesellschaft extrem wichtig. Wie kann man jedoch diese Erinnerungen an diese schreckliche Vergangenheit auch für junge Menschen am Leben erhalten, damit sie etwas daraus lernen können?

Das Theaterstück von Liora Hilb, das am Dienstag, 16.11.2021, zwei Mal in der Aula der Feldbergschule aufgeführt wurde, befasste sich mit genau dieser Frage und wird den anwesenden Schüler*innen und Lehrkräften noch lange im Gedächtnis bleiben. Die gesamte Jahrgangsstufe 13 des Beruflichen Gymnasiums konnte dadurch in 2 Gruppen an der Aufführung teilnehmen, und sie wurden durch verschiedene Lehrkräfte begleitet. Frau Hilb schaffte es, durch starke Gesten, aufregende Lichtinszenierungen und authentische Video- und Toneinblendungen – wunderbar dargestellt von ihrer Tochter Stella Hilb – eine mitreißende Aufführung darzubieten. Das Bühnenbild in Form eines „Abstraktum“ (siehe Fotos) ist genauso verhüllt wie die vagen Erinnerungen und repräsentiert verschiedene Ebenen des Erinnerungsprozesses. Gleichzeitig dient es als Projektionsfläche von Videoaufnahmen und Fotos. 

Schüler*innen, die den Kurs Darstellendes Spiel belegen, wurden von ihrer Lehrkraft Frau Huber dazu angeregt, ein besonderes Augenmerk auf die Inszenierungskomponente Dramaturgie zu legen. Da die Inszenierung sowohl Elemente des Biografischen, Dokumentarischen und Postdramatischen Theaters enthält, gab es viele Inspirationen und Impulse für die eigene Theaterarbeit.  Nach der Aufführung durften die Schüler*innen des Faches mit der Künstlerin in Austausch treten und Feedback geben sowie Fragen klären.

Es geht dabei nicht nur um Frau Hilbs eigene Familien- oder Migrationsgeschichte, sondern um den weiteren Kontext des Holocausts und um den heutigen Umgang damit, beispielsweise in Form von Begegnungen mit Stolpersteinen oder Gesprächen zwischen Generationen. Es wird deutlich, dass Ausgrenzung, Rassismus, Fluchtgeschichten und Konflikte zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft auch in unserer heutigen Gesellschaft noch präsent sind – erlebt hatte dies Liora selbst, als sie als Kind von Israel nach Deutschland migrierte. Diese Assoziationen gaben den anwesenden Schüler*innen der Feldbergschule einen festen Anker, sich mit der Geschichte zu identifizieren und sich betroffen zu fühlen.

Liora Hilb verwunderte als Kind das Schweigen ihrer Eltern über Lioras jüdische Großmutter, Jenny Hilb, die von den Nazis aus Ulm deportiert und nach Gefangenschaft, u.a. in Theresienstadt, schlussendlich in Ausschwitz ermordet worden war. Auf Fragen der jungen Liora über ihre Großmutter antworteten Verwandte nur vage. Als Erwachsene recherchierte Liora Hilb mit Hilfe von Archiven in Deutschland über den Werdegang ihrer Großmutter. Am 30. Januar 1943 kam Jenny Hilb in Ausschwitz an. Was danach passierte ist nicht belegt, aber mit höchster Wahrscheinlichkeit erging es ihr wie einer Million weitere Menschen in Auschwitz und sie kam dort um. Die vorgelesenen Briefe des Archivs werden „Mit freundlichen Grüßen” gezeichnet, was Frau Hilb in ihrem Stück durch ihre Darstellung ironisch kontrastiert und wodurch sie das Unbegreifliche und Absurde dieser horrenden Verbrechen an den jüdischen Mitmenschen doch nahbar macht.

Und doch meldete sich die Geschichte von Lioras Oma in Form eines Rings zurück, der auf ungeklärte Weise, den Weg zur Familie Hilb zurückfand. Durch den Ring finden auch die Erinnerungen an Jenny Hilb einen Weg in die Familie. Das Schauspiel „remembeRING“ verkörpert diesen Erinnerungsprozess, und bringt diesen dem Publikum und den Schüler*innen auf eine emotionale Art und Weise nahe.

„Ist das wirklich Ihre Geschichte?“ – einer der Schüler*innen im Publikum war beeindruckt und erstaunt, dass noch heute die Geschichte des Holocausts so eng mit einer Familiengeschichte verzweigt sein konnte. In einem Anschlussgespräch an ihr Theaterstück beantwortete Liora Hilb Fragen der Schüler*innen und leitete ebenfalls durch ihre eigenen Fragen die Reflexion und Verarbeitung der Darbietung. Sie lockerte die Stimmung auf und ermutigte damit auch die zunächst etwas zurückhaltenden Schüler*innen, ihre Meinungen, Fragen und Rückmeldungen über das Stück mitzuteilen. Es gab viele lobende Kommentare aus der Schülerschaft, und die Geschichtslehrkräfte Goslar und van Kampen bedankten sich abschließend bei Frau Hilb für Ihr Engagement und ihre beeindruckende und berührende Darbietung.

Diese Art der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit über den eigentlichen Geschichtsunterricht hinaus ist unglaublich wichtig. Wir hoffen darauf, Liora Hilb bald wieder in unsere Schule einladen zu können, damit noch weitere Klassen dieses einzigartige Theaterstück sehen können.

Mehr Informationen: https://www.remembering-theater.de/theaterstueck-ueber-das-suchen-nach-antworten/ 

 

Ankündigung:

Am Montag, 15. November 2021, 19 Uhr, lädt die Feldbergschule mit freundlicher Unterstützung der Stadt Oberursel (Taunus) und des Landes Hessen zum Ein-Personen-Stück „remembeRING besser ist, wenn Du nix weißt“ in die Aula, Oberhöchstadter Straße 20, in Oberursel ein.


Das Stück für Jugendliche und Erwachsene erzählt die Geschichte einer Familie vor, während und nach der Shoah. Wie findet der Ring der in Auschwitz ermordeten Großmutter wieder nach Hause? Jenny, die Großmutter der Darstellerin Liora Hilb, wird 1943 von den Nazis in Auschwitz umgebracht. Ihre Kinder fliehen nach Palästina und bauen sich dort ein neues Leben auf. Später, 25 Jahre nach Kriegsende, kehrt Lioras Vater nach Deutschland zurück. Über den gewaltsamen Tod der Großmutter spricht niemand und doch prägt die Erinnerung daran das Leben dieser Familie. Liora gelangt in den Besitz eines Ringes, der einmal der Großmutter gehörte und fängt an, über das totgeschwiegene Familiengeheimnis zu forschen. Der Weg dieses Ringes spannt einen Bogen über das Schicksal einer jüdisch-deutschen Familie in drei Generationen.
Die Schauspielerin Liora Hilb verbindet Spiel, Video und Fotokunst und bietet damit eine sehr lebendige Darste
llung auf der Bühne. „remembeRING“ wurde mit dem Jugendtheaterpreis „Karfunkel“ 2017, der Stadt Frankfurt ausgezeichnet.


Der Eintritt kostet 15 Euro, ermäßigt 10 Euro. Die Veranstaltung läuft unter den 3 G-Regeln, Zutritt nur für Geimpfte, Genesene oder Getestete (negativer Antigen-Schnelltest, nicht älter als 24 Stunden) oder PCR-test (nicht älter als 48 Stunden). Einlass ist 45 Minuten vor Veranstaltungsbeginn, bitte den Eingang am Rushmoorpark benutzen. Dieser befindet sich direkt am Weiher und ist entsprechend ausgeschildert. Es gelten die ausgeschilderten Hygieneregeln.

Die Zuschauerzahl ist begrenzt, daher ist eine vorherige Anmeldung per E- Mail unter kultur@oberursel.de erforderlich. Weitere Infos zum Stück gibt es unter www.remembering-theater.de.

Text: OrganisatorInnen

Kategorien: Aktuelles